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12.10.2020

Auskunftspflicht über Vermittlungsvorschläge der Agentur für Arbeit

Wird einem Arbeitnehmer gekündigt, so hat dieser sich anderweitig nach Erwerbsmöglichkeiten umzuschauen. Zum Nachweis seiner Bemühungen kann der bisherige Arbeitgeber gegenüber dem gekündigten Arbeitnehmer Auskunft verlangen, insbesondere wenn sich dieser gegen die Kündigung gerichtlich wehrt.

BAG, Urteil vom 27.05.2020, Az. 5 AZR 387/19

Der Sachverhalt

Der Kläger ist bei der Beklagten seit dem 03.06.1996 als Bauhandwerker beschäftigt. Die Beklagte sprach gegenüber dem Kläger seit 2011 mehrere Kündigungen aus, unter anderem eine Kündigung vom 30.01.2013 fristlos und hilfsweise ordentlich fristgemäß. Im anschließenden Kündigungsschutzverfahren vor dem Arbeitsgericht obsiegte der Kläger in zweiter Instanz rechtskräftig. In einem weiteren Verfahren machte der Kläger Annahmeverzugslohn unter Anrechnung des in dem Zeitraum der Kündigungsschutzklage bezogenen Arbeitslosengeldes und Arbeitslosengeldes II geltend. Hiergegen wandte die Beklagte ein, dass der Kläger im betreffenden Zeitraum einen anderweitigen Erwerb böswillig unterlassen habe, und begehrte daher widerklagend vom Kläger Auskunft über die dem Kläger von der Bundesagentur für Arbeit unterbreiteten Arbeitsplatzangebote und Vermittlungsvorschläge. In einem Teilurteil verurteilte das Arbeitsgericht darauf den Kläger, der Beklagten schriftlich Auskunft zu erteilen, welche Arbeitsplatzangebote dem Kläger durch die Bundesagentur für Arbeit und das Jobcenter im Zeitraum vom 01.02.2013 bis 30.11.2015 unterbreitet wurden, und zwar unter Nennung der Tätigkeit, der Arbeitszeit und des Arbeitsortes sowie der Vergütung. Hiergegen legte der Kläger Berufung ein. Er vertrat die Ansicht, dass bereits erstinstanzlich hierüber Auskunft erteilt worden sei und zudem unter keinen Gesichtspunkten eine Anspruchsgrundlage hinsichtlich des Auskunftsanspruchs ersichtlich sei. Die Beklagte vertrat hingegen die Ansicht, dass die begehrte Auskunft bislang nicht erteilt worden sei. Bei der Anspruchsgrundlage handele es sich um einen allgemeinen Auskunftsanspruch. Die Berufung des Klägers hatte keinen Erfolg, auch das Bundesarbeitsgericht wies die Revision zurück.

Wie urteilte das Bundesarbeitsgericht?

Laut Bundesarbeitsgericht ergibt sich das Auskunftsbegehren aus Treu und Glauben (§ 242 BGB), da ein Arbeitgeber einen solchen Auskunftsanspruch zur Durchsetzung einer gegebenenfalls aus § 11 Nr. 2 KSchG resultierenden Einwendung benötige. In § 11 Nr. 2 KSchG ist normiert, dass sich ein Arbeitnehmer im Fall der gerichtlich entschiedenen Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses auf das dann vom Arbeitgeber geschuldete Arbeitsentgelt den Verdienst anrechnen lassen muss, den er während der gerichtlichen Klärung hätte erzielen können, wenn er es nicht böswillig unterlassen hätte, eine ihm zumutbare Arbeit anzunehmen. Auch die für die Anerkennung einer Auskunftspflicht erforderliche Wahrscheinlichkeit, dass die Einwendung begründet sei, sei zu bejahen, denn die Agentur für Arbeit sei gemäß § 35 Absatz 1 SGB III ebenso zur Arbeitsvermittlung verpflichtet wie das Jobcenter. Schließlich habe die Arbeitgeberin auch keine andere rechtmäßige Möglichkeit, sich die Informationen zu verschaffen, da das durch § 35 SGB I geschützte Sozialgeheimnis die Agentur für Arbeit und das Jobcenter daran hindere, der Arbeitgeberin unmittelbar Auskunft zu erteilen. Nur dann, wenn der Arbeitgeber Informationen über erfolgte Vermittlungsvorschläge erlangt, könne er prüfen, ob der gekündigte Arbeitnehmer eine zumutbare anderweitige Beschäftigung abgelehnt und dadurch böswillig anderweitigen Verdienst unterlassen habe. Den Interessen des gekündigten Arbeitnehmers werde dadurch ausreichend Rechnung getragen, dass er erforderlichenfalls begründen kann, warum die ihm unterbreiteten Vermittlungsvorschläge für ihn unzumutbar waren.

Fazit

Die Entscheidung des Bundearbeitsgerichts ist zu begrüßen. Bisher wurde lediglich ein Anspruch auf Auskunft des tatsächlich erzielten anderweitigen Verdienstes bejaht, in Bezug auf ein böswilliges Unterlassen nach § 11 Nr. 2 KSchG hingegen verneint (so beispielsweise Hessisches LAG, Urt. v. 11.5.2018 – 10 Sa 1628/17). Die vorliegende Entscheidung stärkt somit in Annahmeverzug befindliche Arbeitgeber in ihrer Position. Soweit ein Arbeitnehmer Annahmeverzugslohn geltend macht, kann der Arbeitgeber bist zur umfassenden Auskunft – nunmehr auch hinsichtlich der angezeigten Vermittlungsvorschläge der Agentur für Arbeit – Auskunft verlangen und bis zur Erteilung ein Zurückbehaltungsrecht geltend machen.