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21.06.2021

Anwendbarkeit der Steuerbefreiung bei Streubesitzbeteiligungen gem. § 8 b Abs. 1 S. 1, Abs. 4 S. 1 KStG bei unterjährigem Erwerb einer 10 %-igen Beteiligung von mehreren Veräußerern

Entscheidung des FG Hessen (6. Senat), Urteil vom 15.03.2021 – 6 K 1163/17

Ausgangslage

Gem. § 8 b Abs. 1 S. 1, Abs. 5 S. 1 KStG ist u.a. die Gewinnausschüttung gem. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG an eine Kapitalgesellschaft zu 95 % steuerbefreit. Voraussetzung ist das Bestehen einer Beteiligung zu Beginn des Kalenderjahres an der ausschüttenden Kapitalgesellschaft von nicht weniger als 10 %, § 8 b Abs. 4 S. 1 KStG (Streubesitzbeteiligung).

Die Mindestbeteiligung von 10 % nach § 8 b Abs. 4 KStG war Gegenstand der Entscheidung des FG Hessen. Im zu entscheidenden Fall war eine GmbH & Co. KG (KG) an einer Kapitalgesellschaft in der Rechtsform der GmbH beteiligt (A-GmbH). An der KG wiederum waren mehrere Kommanditisten und Komplementäre beteiligt. Ein Kommanditist war wiederum eine GmbH (B-GmbH). Diese hatte ihre Anteile an der KG im Laufe eines Kalenderjahres von insgesamt drei Veräußerern erworben. In Zusammenrechnung der erworbenen Kommanditanteile hatte die (B-GmbH) eine Beteiligungshöhe an der KG erlangt, die wiederum mittelbar eine Beteiligung von mehr als 10 % an der A-GmbH darstellte (§ 8 b Abs. 4 S. 4 KStG).

Die A-GmbH schüttet einen Gewinn an die KG aus. Die KG als Klägerin war der Auffassung, dass diese Ausschüttung auf Ebene ihrer Kommanditistin, der B-GmbH gem. § 8 b Abs. 4 S. 1, 6 KStG steuerbefreit ist (bis auf einen Anteil von 5 % als nicht abziehbare Betriebsausgabe, § 8 b Abs. 5 S. 1 KStG). Das zuständige Finanzamt ist der Auffassung nicht gefolgt.

Das Finanzamt vertrat die Auffassung, dass insgesamt keine Beteiligung der B-GmbH mittelbar über die KG an der A-GmbH in Höhe von 10 % bestand. Der Erwerb von mehreren Veräußerern im Kalenderjahr sei getrennt zu betrachten, eine Zusammenrechnung der Erwerbe sei unzulässig. Das Finanzamt bezieht sich insoweit auf die Verfügung, OFD Frankfurt a.M. vom 02.12.2013 - S 2750a A - 19 St 52. Der dortige Text lautet wörtlich: „Keine Beteiligung zu Beginn des Jahres, Hinzuerwerb von 5% von Veräußerer 1 und 5% von Veräußerer 2: Die Regelung des § 8b Abs. 4 Satz 6 KStG ist nicht anzuwenden, da nicht in einem Erwerbsvorgang mindestens 10% erworben werden.“ Nach der dort wiedergegebenen Ansicht der Referatsleiter der obersten Finanzbehörden des Bundes und der Länder setze § 8 b Abs. 4 KStG voraus, dass die mindestens 10%-ige Beteiligung infolge eines einzigen Vorgangs („Blockerwerb“) erworben werde. Solches sei beim Erwerb von mehreren Veräußerern nicht gegeben. Infolge dieses mehraktigen Erwerbs finde die Rückwirkungsfiktion des § 8b Abs. 4 S. 6 KStG keine Anwendung.

Das Finanzamt hat die Ausschüttung bei der B-GmbH demzufolge der vollen Besteuerung unterworfen.

Entscheidung des FG Hessen

Das FG Hessen ist der Auffassung des Finanzamts nicht gefolgt, hat die Voraussetzungen des § 8 b Abs. 4 S. 1, 6 KStG bejaht und somit eine Beteiligung der B-GmbH in Höhe von 10 % an der A-GmbH als gegeben angesehen. Nach Auffassung des FG Hessen sind die Rechtsmeinung des Finanzamts bzw. die entsprechenden Ausführungen in der OFD Verfügung nicht von der gesetzlichen Regelung des § 8 b Abs. 4 S. 1 KStG umfasst. Es muss kein Blockerwerb in Höhe von 10 % vorliegen, vielmehr kann auch durch Mehrfacherwerbe, die zusammenzurechnen sind, eine Beteiligung von 10 % erreicht werden. Offen gelassen hat das FG Hessen jedoch die Rechtsfrage, ob die Zusammenrechnung von mehreren Erwerben in einem Kalenderjahr auch dann gilt, wenn nicht, wie im vorliegenden Fall, Anteile an einer Personengesellschaft (Kommanditbeteiligung), sondern Geschäftsanteile an einer GmbH direkt erworben werden. Kommanditanteile werden grundsätzlich stets zu einer Beteiligung zusammengefasst, während Geschäftsanteile einer GmbH formal getrennt in der Gesellschafterliste geführt werden.

Auf Grundlage der Entscheidung des FG Hessen kann somit – entgegen der derzeitigen Auffassung der Finanzverwaltung – die Grenze von 10 % auch durch mehrere Erwerbe erreicht werden, jedenfalls bei einer Beteiligung über eine Personengesellschaft. Die Entscheidung des FG Hessen ist nicht rechtskräftig. Das Finanzamt hat Revision beim BFH eingelegt, das Verfahren wird unter dem Az. BFH I R 16/21 geführt. Es ist somit offen, ob der BFH die für den Steuerpflichtigen günstige Auffassung des FG Hessen bestätigt.

Hinweis: Kein Gleichlauf zwischen der Steuerbefreiung bzgl. Streubesitzbeteiligungen bei der Körperschaftsteuer und der Gewerbesteuer.

In der Entscheidung des FG Hessen ging es ausschließlich um die Körperschaftsteuerbefreiung bei Gewinnausschüttungen gem. § 8 b Abs. 4 S. 1 KStG. Die vorliegende Gewinnausschüttung unterlag aber trotzdem vollständig der Gewerbesteuer gem. § 8 Nr. 5 GewStG, da dort eine Mindestbeteiligungsquote von 15 % zu Beginn des Erhebungszeitraums nach § 9 Nr. 2a GewStG vorgesehen ist, und diese war im Fall unstreitig nicht erfüllt. Bei Erwerben von Anteilen an Kapitalgesellschaften sind somit stets beide Grenzen für Streubesitzbeteiligungen, 10 % für die Körperschaftsteuer sowie 15 % für die Gewerbesteuer zu beachten und soweit möglich damit sogleich eine Beteiligung von 15 % zu erwerben, um für beide Steuern die Steuerbefreiung in Anspruch nehmen zu können.