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24.07.2017

Anforderung „Deutsch als Muttersprache“ ist diskriminierend

Entschädigung für abgelehnten Bewerber BAG, Urteil v. 15.12.2016 – 8 AZR 418/15 und
BAG, Urteil v. 29.06.2017 – 8 AZR 402/15

Der 8. Senat des BAG hat in zwei Entscheidungen die mit einer Stellenausschreibung verbundene Forderung „muttersprachliche Kenntnisse“ bzw. „Deutsch als Muttersprache“ als Diskriminierung wegen der ethnischen Herkunft im Sinne des § 1 AGG als diskriminierend angesehen.

Während in dem einen Fall die Stellenausschreibung unter den Anforderungen bereits „Deutsch als Muttersprache“ für interessierte Bewerber gefordert hatte, war im zweiten Fall „Deutsch Muttersprache“ neben „Deutsch verhandlungssicher“, „Deutsch fortgeschritten“ und „Deutsch Grundkenntnisse“ als Auswahlmöglichkeit gestellt.

Nach Ansicht des 8. Senats ist die generelle Anforderung von „Deutsch als Muttersprache“ nicht zu rechtfertigen. Das BAG ging in beiden Entscheidungen davon aus, dass die Ansicht, muttersprachliche Kenntnisse stünden herkömmlich nur für eine perfekte Beherrschung der Sprache und knüpften deshalb nicht an ethnische Herkunft an, dem gesetzlichen Maßstab nicht standhält. Nach Ansicht des BAG sei die Muttersprache die Sprache, die typischerweise in der Kindheit erlernt wird und deshalb mit der ethnischen Herkunft im Sinne des § 1 AGG unmittelbar verknüpft ist. So definiert sei „Deutsch als Muttersprache“ auch nicht zu rechtfertigen. Hier hingegen hat es zumindest bei Vorliegen der Möglichkeit zwischen verschiedenen Sprachstufen anzukreuzen, keine zwingende Diskriminierung gesehen und deshalb die Auslegung der Vorinstanz, es liege keine Diskriminierung vor, ausreichen lassen.

Zudem hat das BAG in der Entscheidung vom 29.06.2017 auch noch einmal betont, dass die 2-Monatsfrist zur Geltendmachung einer Entschädigung, entsprechend dem Gesetzeswortlaut erst mit einer ausdrücklichen Ablehnung des Arbeitgebers zu laufen beginnt. In dem konkreten Fall hat der Arbeitgeber weder eine ausdrückliche noch konkludente Ablehnung an den Bewerber gesandt, sondern ihn einfach nicht berücksichtigt. Der Bewerber macht eine Entschädigung geltend, obwohl die ausgeschriebene, auf zwei Monate befristete Stelle, zu diesem Zeitpunkt bereits seit 6 Monaten wieder ausgelaufen war. Der 8. Senat vertrat die Auffassung, dass auch hier eine schriftliche, mündliche oder konkludente Ablehnungserklärung des Arbeitgebers zur Ingangsetzung der Frist erforderlich ist.

Folgen für die Praxis:

Ähnlich wie bei Anforderung zu geschlechtsneutraler Ausschreibung von Stellen ist dringend anzuraten, bei Stellenausschreibungen, gleich in welchem Medium, Hinweise auf die Muttersprache oder muttersprachliche Kenntnisse nicht mehr zu verwenden. Nachdem das BAG auch bei der Anforderung von Sprachkenntnissen in der Vergangenheit schon sehr diffizil geprüft hat, ob in der Anforderung an die perfekte Beherrschung der deutschen Sprache eine mittelbare Diskriminierung liegen könne, ist bei der Verknüpfung mit der Muttersprache ethnische Diskriminierung nur sehr schwer zu verneinen. Der Kritik an der Definition des Begriffes „Muttersprache“ wird man nach Ansicht des 8. Senats Rechnung tragen müssen und sich solcher Anforderungen tunlichst enthalten, will man nicht Entschädigungsklagen riskieren. Des Weiteren sei noch einmal herausgestellt, dass bei Bewerbungsverfahren im Hinblick auf mögliche spätere Diskriminierungsklagen der Entscheidungsprozess möglichst beweisbar dokumentiert werden sollte und abgelehnte Bewerber, jedenfalls über die Tatsache der Ablehnung als solche, sei es auch nur mit einer kurzen Mitteilung, unterrichtet werden sollten. Andernfalls besteht die Gefahr, dass auch noch nach langer Zeit Klagen wegen Diskriminierung eingereicht werden können, für die dann häufig die notwendige Dokumentation und Nachweise fehlen. Ebenfalls sei daran erinnert, dass bei der Einschaltung Externer (Personalberater, Agenturen und Onlineplattformen) ein Fehlverhalten bei Ausschreibung wie Auswahl dem Arbeitgeber zugerechnet wird.

Autor/innen

Michael Wahl

Michael Wahl

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