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17.06.2020

40 Jahre UN-Kaufrecht

1980, vor also nunmehr 40 Jahren, wurde der Völkerrechtsvertrag über das UN-Kaufrecht (United Nations Convention on Contracts for the International Sale of Goods, CISG) verabschiedet. In Deutschland trat er 1991 in Kraft und ist damit Teil des deutschen Rechts.

Seitdem richten sich internationale Kaufverträge, auf die deutsches Recht (oder das Recht eines anderen Vertragsstaats) anzuwenden ist, vorrangig nach dem UN-Kaufrecht, soweit dessen Regelungsgehalt reicht. Zur Beantwortung dort nicht behandelter Fragen (z.B. zur Stellvertretung oder Zinshöhe) ist ergänzend unvereinheitlichtes nationales Kaufrecht (also etwa das des BGB oder das des französischen Code civil) heranzuziehen.

Haben die Parteien keine Rechtswahl getroffen, ist aus Sicht eines europäischen Richters bei internationalen Kaufverträgen in der Regel das Recht des Landes anzuwenden, in dem der Verkäufer seinen Sitz hat (Art. 4 (1) a) Rom-I Verordnung). Das führt bei Exportverträgen zur Anwendung deutschen Rechts. Da das UN-Kaufrecht, wie gesagt, Teil des deutschen Rechts ist, ist dieses dann maßgeblich. Es ist vorrangig vor den Regelungen des BGB. Bei Importverträgen kommt es bei Fehlen einer vertraglichen Rechtswahl darauf an, ob der Verkäufer seinen Sitz in einem der derzeit 92 weiteren Unterzeichnerstaaten hat (Folge: UN-Kaufrecht ist anwendbar) oder nicht (Folge: das dortige unvereinheitlichte Kaufrecht ist anwendbar). Unter den wichtigsten 20 Handelspartnern Deutschlands sind nur das Vereinigte Königreich und Japan kein Unterzeichnerstaat.

Damit müsste das UN-Kaufrecht auf die allermeisten internationalen Kaufverträge mit Beteiligung einer deutschen Partei anwendbar sein. Allerdings sind die Parteien frei, das UN-Kaufrecht auszuschließen (wofür allerdings nicht die Formulierung „Es gilt deutsches Recht“ ausreicht, da das UN-Kaufrecht ja Teil des deutschen Rechts ist). In der Praxis ist festzustellen, dass die Parteien, wenn sie sich der Thematik überhaupt bewusst sind, das UN-Kaufrecht fast standardmäßig und oft ohne nähere Auseinandersetzung mit dem pro und contra ausschließen.

Dabei ist das UN-Kaufrecht inhaltlich durchaus akzeptabel und dem Kaufrecht nach dem BGB in seiner heutigen Form recht ähnlich, auch wenn es natürlich relevante Unterschiede gibt. Die CISG ist zudem gut strukturiert und auch sprachlich gelungen. Nichtjuristen werden sich darin besser zurechtfinden als im weniger leicht zugänglichen Kaufrecht des BGB.

In der Regel wird das UN-Kaufrecht der Vereinbarung des Rechts des ausländischen Vertragspartners vorzuziehen sein, weil letzteres zumeist weder der deutsche Außenhändler noch sein Anwalt in seinen Auswirkungen sicher abschätzen kann. Das UN-Kaufrecht hat zudem den Vorteil, dass man sich hierauf leichter wird einigen können, da beide Parteien in der Regel nicht bereit sind, das unvereinheitlichte Recht des Vertragspartners als maßgeblich zu akzeptieren. Das UN-Kaufrecht wurde als Kompromiss entwickelt, um den internationalen Handel zu fördern. An der Entwicklung waren Rechtsexperten vieler Staaten beteiligt. So ist das UN-Kaufrecht entsprechend auch ein Kompromiss verschiedener Rechtsordnungen. Die Regeln sind in vielen Sprachen erhältlich. Ausländische Vertragspartner werden oft bereit sein, diese Regelungen zu akzeptieren, da sich auch deren Anwälte über das UN-Kaufrecht informieren können.

Es gibt allerdings auch strukturelle Nachteile: So ist, wie schon angesprochen, zumindest zur Lückenfüllung auch unvereinheitlichtes nationales Recht ergänzend anzuwenden. Nicht immer greifen dieses und das UN-Kaufrecht ohne jedes Knirschen ineinander. Wie sollte es anders sein: Das UN-Kaufrecht wurde mit der Absicht konzipiert, zu jeder nationalen Rechtsordnung zu passen. Dass es dann Regelungen gibt, die sich im Einzelfall nicht ohne jedes Strecken oder Stauchen einfügen, liegt auf der Hand. Der Anwender wird sich dennoch nicht auf ein Prokrustes-Bett gespannt fühlen. Ein anderer Nachteil besteht in der, jedenfalls im Vergleich zum deutschen BGB, größeren Rechtsunsicherheit. Die Entscheidungen zum Kaufrecht nach BGB füllen Bibliotheken und viele Rechtsfragen sind höchstrichterlich entschieden. Es gibt aber sehr viel weniger veröffentlichte Entscheidungen zum UN-Kaufrecht und diese verteilen sich auf viele verschiedene Jurisdiktionen. Wie ein deutsches Gericht eine bestimmte Frage beantworten wird, ist daher oft ungewisser.

Viel Licht, wenig Schatten: Den Verfassern des UN-Kaufrechts ist ein großer Wurf gelungen. Es ist schade, dass es so oft unreflektiert ausgeschlossen wird. Besser als ein reflexartiger Ausschluss ist es jedenfalls, sich einen Überblick über seinen Inhalt zu verschaffen und dann eine gut informierte Entscheidung für oder gegen das UN-Kaufrecht zu treffen.