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14.03.2022

§ 135 InsO – Die böse Unbekannte des Sicherungsgebers

Die für einen Gesellschafter eines bankrotten Unternehmens bereits an sich unschöne Situation wird durch das Recht des Insolvenzverwalters zur Insolvenzanfechtung nach §§129 ff. InsO vielfach erst richtig ärgerlich. Besonders ärgerlich ist es, wenn der Gesellschafter für die Forderung eines Gesellschaftsgläubigers auf Rückgewähr eines Darlehens eine Sicherheit bestellt hat und trotz einer bereits durch die Gesellschaft erfolgten Darlehensrückzahlung vom Insolvenzverwalter aus §§ 143 Abs. 3, 135 InsO (Gesellschafterdarlehen) in Anspruch genommen wird.

Genau diesen Fall hatte der Bundesgerichtshof (BGH) zu entscheiden und tat dies zu Gunsten des Insolvenzverwalters (BGH, Urteil vom 09.12.2021 – IX ZR 201/20), denn die Befriedigung des Darlehensgebers aus der Verwertung einer Gesellschaftssicherheit benachteiligt die Gesellschaftsgläubiger selbst dann, wenn der Darlehensgeber zum Zeitpunkt der Befriedigung seiner Forderung den Gesellschafter nicht mehr aus der Sicherheit hätte in Anspruch nehmen können. 

Dem vom BGH zu entscheidenden Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Der Beklagte war alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer einer nachmalig insolventen GmbH. Eine Bank gewährte derselben ein Darlehen, für welches der Beklagte gegenüber dieser eine Sicherheit in Form einer Bürgschaft stellte. Zudem trat die GmbH der Bank im Rahmen einer Globalzession sicherungshalber alle ihre Ansprüche aus sämtlichen bestehenden und künftigen Forderungen aus Lieferungen und Leistungen ab. Nach Insolvenzantragstellung nahm die Bank den Beklagten aus seiner Sicherheit in Höhe des offenen Darlehens in Anspruch. Zudem leitete der (vorläufige) Insolvenzverwalter einen Betrag von rund 35.000 EUR aus zwischenzeitlich eingegangenen Kundenzahlungen an den Darlehensgeber weiter und verlangte vom Gesellschafter diesen Betrag im Klageweg aus §§ 143 Abs. 3, 135 InsO zurück. 

Gegen diese Klage erhob der beklagte Gesellschafter die Einrede der Verjährung. Auf die Berufung des Insolvenzverwalters gab das Oberlandesgericht der Klage statt. Die Revision des Beklagten zum BGH hatte keinen Erfolg.

Der BGH sah in dieser Konstellation das Vorliegen eines Anfechtungsanspruchs des Insolvenzverwalters nach §§ 135 Abs. 2, 143 Abs. 3 S. 1 InsO für gegeben, weil in der Auszahlung des Verwertungserlöses an die Bank aufgrund der Globalzession der GmbH eine Gläubigerbenachteiligung liege.

Eine Gläubigerbenachteiligung liegt immer dann vor, wenn die vorgenommene Rechtshandlung entweder die Schuldenmasse vermehrt oder die Aktivmasse verkürzt und so der Gläubigerzugriff auf das Schuldnervermögen (hier der GmbH) jedenfalls erschwert oder verzögert wird sowie die Befriedigungsmöglichkeiten der Gläubiger ohne die streitige Handlung günstiger gewesen wären.

Durch das Eingehen der Bürgschaft habe sich der Gesellschafter gegenüber seiner Gesellschaft zur vorrangigen Befriedigung der von ihm besicherten GmbH-Verbindlichkeit verpflichtet. Nach § 135 Abs. 2 InsO sei nämlich jede, von einem Gesellschafter gewährte Sicherheit wie ein von diesem gewährtes Darlehen zu werten, womit der Gesellschafter lediglich nach allen anderen Gläubigern befriedigt werden darf. Da vorliegend jedoch die GmbH die Bank aus eigenen Mitteln (Kundenzahlungen) befriedigt habe, sei der Gesellschafter von seiner vorrangigen Befriedigungspflicht gegenüber den Gesellschaftsgläubigern in Höhe dieser Zahlungen befreit worden. 

Dabei führe der Umstand, dass diese Gläubigerbefriedigung aus der Insolvenzmasse der GmbH erfolgte und diese dadurch gemindert habe, zusätzlich dazu, dass sich die Befriedigungsmöglichkeiten der übrigen Insolvenzgläubiger verschlechtert haben. Hätte der Gesellschafter nämlich seiner Verpflichtung entsprechend die Bank als Erstes befriedigt, wäre die Insolvenzmasse um den aus den Kundenzahlungen erstatteten Betrag größer.

Aus § 135 InsO folge aber für den Gesellschafter, der für eine Darlehensrückzahlungsforderung eine Sicherheit (hier: Bürgschaft) gewährt hat, dass er, wenn die Gesellschaft den Darlehensgeber selbst befriedigt, diesen für ihn vorausgelegten Betrag gegenüber der Gesellschaft zu erstatten habe.

Dem stehe auch nicht entgegen, dass der Darlehensgeber im Befriedigungszeitpunkt aufgrund einer Verjährung der Sicherheit keinen durchsetzbaren Anspruch mehr gegen den sicherungsgebenden Gesellschafter hatte. Es sei nämlich lediglich die Verjährung des Anfechtungsanspruchs maßgeblich und diese beginne in vorliegender Konstellation frühestens mit der Befriedigung der Bank aus der Gesellschaftssicherheit und somit unabhängig von der Durchsetzbarkeit der Bürgschaft.

Angesichts dieser BGH-Entscheidung steht nun fest, dass Gesellschafter, die eine Gläubigerforderung besichert haben, im Falle der Insolvenz der Gesellschaft und unabhängig von einer möglichen Verjährung des Anspruchs, die Gläubigerforderung in jedem Fall direkt zu begleichen haben oder ihrer Gesellschaft den dererseits vorausgelegten Betrag zu erstatten haben. Anderenfalls ist mit einer (erfolgreichen) Anfechtung durch den Insolvenzverwalter zu rechnen. Da die Verstrickung der Gesellschaftersicherheit kraft Gesetzes erfolgt, können Gesellschafter und Gesellschaft auch keine abweichende vertragliche Vereinbarung treffen.

Autor/innen

Thomas Hausbeck

Dr. Thomas Hausbeck

Partner

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