Gewährt ein Arbeitgeber älteren Arbeitnehmern mehr Urlaubstage, kann die unterschiedliche Behandlung wegen des Alters unter dem Gesichtspunkt des Schutzes älterer Beschäftigter gerechtfertigt sein.
BAG, Urteil v. 21.10.2014 – 9 AZR 956/12
Die beklagte Arbeitgeberin stellt Schuhe her und gewährt ihren Arbeitnehmern nach Vollendung des 58. Lebensjahres jährlich 36 Arbeitstage Erholungsurlaub. Jüngere Arbeitnehmer erhalten 34 Urlaubstage. Die 1960 geborene Klägerin ist der Auffassung, dass diese Regelung altersdiskriminierend sei und verlangt daher die Feststellung, dass ihr ebenfalls 36 Urlaubstage pro Jahr zustehen. Die Beklagte dagegen beruft sich darauf, dass es sich bei der Fertigung von Schuhen um eine körperlich ermüdende und schwere Arbeit handle und ein höherer Urlaubsanspruch für ältere Arbeitnehmer daher gerechtfertigt sei.
Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben die Klage abgewiesen. Auch die Revision der Klägerin vor dem Bundesarbeitsgericht hatte keinen Erfolg.
Grundsätzlich verbietet das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) die Benachteiligung von Beschäftigten aufgrund ihres Alters (§§ 1, 7 AGG). Allerdings kann eine unterschiedliche Behandlung gem. § 10 AGG zulässig sein, wenn sie objektiv angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist. Unter diesen Voraussetzungen ist daher auch die Festlegung besonderer Arbeitsbedingungen möglich, wenn sie den Schutz von älteren Beschäftigten sicherstellen sollen.
Arbeitgebern steht eine auf die konkrete Situation in ihrem Unternehmen bezogene Einschätzungsprärogative bei der Prüfung zu, ob ihre Urlaubsregelung dem Schutz älterer Beschäftigter dient und sie geeignet, erforderlich und angemessen ist, um dieses Ziel zu erreichen. Für den Fall der Beklagten entschied das Gericht, dass diese ihren Gestaltungs und Ermessensspielraum nicht überschritten hat. In der Rechtsprechung sei anerkannt, dass die physische Belastbarkeit mit zunehmendem Alter abnimmt. Die Annahme der Beklagten, zwei weitere Urlaubstage seien aufgrund des erhöhten Erholungsbedürfnisses angemessen, sei daher nicht zu beanstanden. Zudem sehe auch der – hier nicht angewandte – Manteltarifvertrag der Schuhindustrie zwei zusätzliche Urlaubstage ab dem 58. Lebensjahr vor. Die Klägerin hat somit keinen Anspruch auf Anpassung ihres Urlaubsanspruchs „nach oben“.
Die Entscheidung zeigt anschaulich, dass nicht jede unterschiedliche Behandlung wegen des Alters zugleich eine unzulässige Diskriminierung bedeutet, wenn dadurch ein legitimes Ziel verfolgt wird. Anders stellte sich die Sachlage im Urteil vom 20.03.2012 (9 AZR 529/10) dar. Dort entschied das BAG, dass die Urlaubsstaffel des TVöD eine nicht gerechtfertigte Diskriminierung darstellt. Danach besteht bis zur Vollendung des 30. Lebensjahres Anspruch auf 26 Arbeitstage Urlaub, während der Urlaubsanspruch bis zur Vollendung des 40. Lebensjahres auf 29 Arbeitstage und nach der Vollendung des 40. Lebensjahres auf 30 Arbeitstage angehoben wird. Diese Staffel ist nicht geeignet, den Gesundheitsschutz älterer Arbeitnehmer zu gewährleisten, da bis zum Erreichen des Rentenalters keine weitere Erhöhung vorgesehen ist.