Unbegrenzte Urlaubsübertragung
Fortlaufend in Dienstabrechnungen aufaddierte Urlaubstage lassen auf den Vertragswillen rückschließen, dass erworbene Urlaubsansprüche nicht verfallen sollen.
LAG Hessen, Urteil v. 17.08.2016 – 6 Sa 12/16
(ArbG Frankfurt am Main v. 18.12.2015 – 23 Ca 4933/15)
LAG Hessen, Urteil v. 17.08.2016 – 6 Sa 12/16
(ArbG Frankfurt am Main v. 18.12.2015 – 23 Ca 4933/15)
Die Parteien streiten um angesammelte Resturlaubstage bzw. deren Abgeltung. Der Arbeitsvertrag enthält auszugsweise folgende – nicht selten verwendete – Urlaubsregelung:
„Die Dauer des Urlaubs richtet sich nach den gesetzlichen Bestimmungen. […] Der Urlaub beträgt demnach zurzeit 30 Arbeitstage im Jahr. Der Arbeitnehmer hat hinsichtlich des Zeitpunktes des Urlaubsantritts auf die betrieblichen Verhältnisse Rücksicht zu nehmen. Urlaubsansprüche sind bis spätestens 31. März des dem Urlaubsjahr folgenden Jahres geltend zu machen.“
Während des laufenden Arbeitsverhältnisses schöpfte der Arbeitnehmer seine Urlaubstage nie voll aus. In den Jahren 1999 bis 2015 nahm er lediglich im Schnitt 19 Urlaubstage jährlich in Anspruch. In den Lohnabrechnungen, die der Arbeitgeber – wie üblich – durch einen Drittanbieter erstellen ließ, wurde der sich Jahr für Jahr erhöhende Resturlaubsanspruch entsprechend ausgewiesen. Im Januar 2015 war ein Resturlaubsanspruch in Höhe von 199,5 Tagen in der Lohnabrechnung aufgeführt.
Zunächst klagte der Arbeitnehmer auf Gewährung von Urlaub in entsprechender Höhe. Nach seiner Eigenkündigung machte er einen Urlaubsabgeltungsanspruch in entsprechender Höhe geltend.
Das Arbeitsgericht hat der Klage im Umfang von lediglich 30 Tagen aus dem Kalenderjahr 2014 stattgegeben. Ein Anspruch aus den vorangegangenen Jahren lehnte das Arbeitsgericht mit dem Hinweis ab, dass die zeitlich unbegrenzte Übertragung von Urlaub unzulässig sei. Ein zeitlich unbegrenztes „Horten“ oder „Ansparen“ von Urlaubsansprüchen sei mit den Vorstellungen des deutschen Urlaubsrechts wie auch des Unionsrechts unvereinbar. Gegen diese Entscheidung hat der Arbeitnehmer Berufung eingelegt.
Entgegen der Vorinstanz hat das LAG der Klage vollumfänglich stattgegeben und dem Kläger im Ergebnis einen Anspruch auf Abgeltung von 199,5 Urlaubstagen und somit in Höhe eines Betrages von EUR 20.731,15 zugesprochen.
Auch wenn in der Fortschreibung offener Urlaubstage in den Lohnabrechnungen kein Schuldanerkenntnis zu sehen sei, so sei darin zumindest der Wille des Arbeitgebers erkennbar, dass Urlaubsansprüche nicht verfallen sollen. Hierdurch käme eine zumindest konkludente Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer dahingehend zustande, dass Urlaubsansprüche zeitlich unbegrenzt nicht verfallen. Der Umstand, dass der Arbeitgeber die Lohnabrechnung von einem Drittunternehmen hat durchführen lassen, ändere daran nichts. Diese Handlungen müsse sich der Arbeitgeber zurechnen lassen. Das LAG weist darauf hin, dass weder dem Gesetz noch der bisherigen Rechtsprechung des BAG eine Unzulässigkeit einer unbegrenzten Übertragung von Urlaub zu entnehmen sei. Zudem verstoße der Arbeitgeber gegen das Gebot von Treu und Glauben, wenn er sich nicht mehr an die (konkludente) Einigung des Nichtverfalls von Urlaubstagen halten möchte.
Wegen grundsätzlicher Bedeutung dieser Rechtsfrage hat das LAG die Revision zum BAG zugelassen.
Folgen für die Praxis:
Sofern möglich sollte der Arbeitgeber natürlich versuchen, den Urlaub im laufenden Kalenderjahr zu gewähren. Die Übertragung von Resturlaub auf das erste Quartal des Folgejahres sollte die Ausnahme sein. Zudem ist es ratsam, klar zu regeln, dass die Urlaubsansprüche bei Nichtinanspruchnahme spätestens am Ende dieses Zeitraums verfallen. Wie man der besprochenen Entscheidung entnehmen kann, reicht jedoch eine vertragliche Regelung diesbezüglich alleine nicht aus. Hinzukommen sollte eine entsprechende tatsächliche Handhabung innerhalb des Unternehmens, welche beinhaltet, Urlaubsansprüche aus dem Vorjahr tatsächlich nach Ablauf des 1. Quartals des Folgejahres „auf Null zu setzen“ und entsprechend in der Lohnabrechnung auszuweisen oder gänzlich auf die Angabe von Urlaubstagen in der Lohnabrechnung zu verzichten.
„Die Dauer des Urlaubs richtet sich nach den gesetzlichen Bestimmungen. […] Der Urlaub beträgt demnach zurzeit 30 Arbeitstage im Jahr. Der Arbeitnehmer hat hinsichtlich des Zeitpunktes des Urlaubsantritts auf die betrieblichen Verhältnisse Rücksicht zu nehmen. Urlaubsansprüche sind bis spätestens 31. März des dem Urlaubsjahr folgenden Jahres geltend zu machen.“
Während des laufenden Arbeitsverhältnisses schöpfte der Arbeitnehmer seine Urlaubstage nie voll aus. In den Jahren 1999 bis 2015 nahm er lediglich im Schnitt 19 Urlaubstage jährlich in Anspruch. In den Lohnabrechnungen, die der Arbeitgeber – wie üblich – durch einen Drittanbieter erstellen ließ, wurde der sich Jahr für Jahr erhöhende Resturlaubsanspruch entsprechend ausgewiesen. Im Januar 2015 war ein Resturlaubsanspruch in Höhe von 199,5 Tagen in der Lohnabrechnung aufgeführt.
Zunächst klagte der Arbeitnehmer auf Gewährung von Urlaub in entsprechender Höhe. Nach seiner Eigenkündigung machte er einen Urlaubsabgeltungsanspruch in entsprechender Höhe geltend.
Das Arbeitsgericht hat der Klage im Umfang von lediglich 30 Tagen aus dem Kalenderjahr 2014 stattgegeben. Ein Anspruch aus den vorangegangenen Jahren lehnte das Arbeitsgericht mit dem Hinweis ab, dass die zeitlich unbegrenzte Übertragung von Urlaub unzulässig sei. Ein zeitlich unbegrenztes „Horten“ oder „Ansparen“ von Urlaubsansprüchen sei mit den Vorstellungen des deutschen Urlaubsrechts wie auch des Unionsrechts unvereinbar. Gegen diese Entscheidung hat der Arbeitnehmer Berufung eingelegt.
Entgegen der Vorinstanz hat das LAG der Klage vollumfänglich stattgegeben und dem Kläger im Ergebnis einen Anspruch auf Abgeltung von 199,5 Urlaubstagen und somit in Höhe eines Betrages von EUR 20.731,15 zugesprochen.
Auch wenn in der Fortschreibung offener Urlaubstage in den Lohnabrechnungen kein Schuldanerkenntnis zu sehen sei, so sei darin zumindest der Wille des Arbeitgebers erkennbar, dass Urlaubsansprüche nicht verfallen sollen. Hierdurch käme eine zumindest konkludente Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer dahingehend zustande, dass Urlaubsansprüche zeitlich unbegrenzt nicht verfallen. Der Umstand, dass der Arbeitgeber die Lohnabrechnung von einem Drittunternehmen hat durchführen lassen, ändere daran nichts. Diese Handlungen müsse sich der Arbeitgeber zurechnen lassen. Das LAG weist darauf hin, dass weder dem Gesetz noch der bisherigen Rechtsprechung des BAG eine Unzulässigkeit einer unbegrenzten Übertragung von Urlaub zu entnehmen sei. Zudem verstoße der Arbeitgeber gegen das Gebot von Treu und Glauben, wenn er sich nicht mehr an die (konkludente) Einigung des Nichtverfalls von Urlaubstagen halten möchte.
Wegen grundsätzlicher Bedeutung dieser Rechtsfrage hat das LAG die Revision zum BAG zugelassen.
Folgen für die Praxis:
Sofern möglich sollte der Arbeitgeber natürlich versuchen, den Urlaub im laufenden Kalenderjahr zu gewähren. Die Übertragung von Resturlaub auf das erste Quartal des Folgejahres sollte die Ausnahme sein. Zudem ist es ratsam, klar zu regeln, dass die Urlaubsansprüche bei Nichtinanspruchnahme spätestens am Ende dieses Zeitraums verfallen. Wie man der besprochenen Entscheidung entnehmen kann, reicht jedoch eine vertragliche Regelung diesbezüglich alleine nicht aus. Hinzukommen sollte eine entsprechende tatsächliche Handhabung innerhalb des Unternehmens, welche beinhaltet, Urlaubsansprüche aus dem Vorjahr tatsächlich nach Ablauf des 1. Quartals des Folgejahres „auf Null zu setzen“ und entsprechend in der Lohnabrechnung auszuweisen oder gänzlich auf die Angabe von Urlaubstagen in der Lohnabrechnung zu verzichten.