Doppelter Abfindungsanspruch – nach § 1a KSchG und aus Betriebsvereinbarung
Besteht aufgrund einer Betriebsvereinbarung ein Anspruch auf Abfindung, der sich nach § 1a KSchG berechnet, und kündigt der Arbeitgeber anschließend mit dem Hinweis, dass bei Verstreichenlassen der Frist für eine Kündigungsschutzklage ein Anspruch auf Zahlung einer Abfindung nach § 1a KSchG besteht, spricht dies regelmäßig für einen doppelten Anspruch, der auf zwei unterschiedlichen Anspruchsgrundlagen basiert.
BAG, Urteil v. 19.07.2016 – 2 AZR 536/15
BAG, Urteil v. 19.07.2016 – 2 AZR 536/15
Anlässlich einer größeren Entlassungswelle hatte die beklagte Arbeitgeberin mit dem Betriebsrat eine als „Interessenausgleich“ bezeichnete Vereinbarung abgeschlossen. Nach deren Inhalt steht den Arbeitnehmern, die von einer Kündigung betroffen sind, eine nach § 1a Abs. 2 KSchG zu berechnende Abfindung zu. Anschließend kündigte die Beklagte dem Kläger ordentlich aus betriebsbedingten Gründen und erteilte im Kündigungsschreiben sinngemäß folgenden Hinweis: “Lassen Sie die Frist zur Erhebung einer Kündigungsschutzklage verstreichen, ohne eine Klage beim Arbeitsgericht zu erheben, haben Sie nach § 1a KSchG Anspruch auf Zahlung einer Abfindung in Höhe eines halben Monatsverdienstes für jedes volle Beschäftigungsjahr“.
Die Beklagte zahlte daraufhin eine Abfindung in Höhe von rund 86.000,00 € an den Kläger. Dieser begehrt mit seiner Klage denselben Betrag ein zweites Mal. Die erste Summe habe nach seiner Auffassung lediglich der Erfüllung des Anspruchs aus der Betriebsvereinbarung gedient. Ihm stehe aber aus der Zusage im Kündigungsschreiben ein zweiter Anspruch in identischer Höhe zu. Die Beklagte war dagegen der Auffassung, dass der Hinweis im Kündigungsschreiben lediglich als Berechnungsgrundlage für die nach dem „Interessenausgleich“ zu zahlende Abfindung zu verstehen sei.
Sowohl Arbeitsgericht als auch Landesarbeitsgericht gaben der Klage statt. Die Revision der Beklagten blieb ohne Erfolg.
Nach § 1a KSchG hat ein Arbeitnehmer Anspruch auf eine Abfindung, wenn der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis betriebsbedingt kündigt und der Arbeitnehmer bis zum Ablauf der 3-wöchigen Klagfrist keine Kündigungsschutzklage erhebt. Der Anspruch setzt einen entsprechenden Hinweis des Arbeitgebers im Kündigungsschreiben voraus. Die Abfindung beträgt dann ein halbes Monatsgehalt für jedes Jahr des Bestehens des Arbeitsverhältnisses.
Dieser Abfindungsanspruch ist nach Auffassung des BAG vorliegend durch den Hinweis der Beklagten im Kündigungsschreiben entstanden.
Der Hinweis kann nicht als rein deklaratorische Bezugnahme auf die Betriebsvereinbarung verstanden werden. Vielmehr müsste sich der Wille des Arbeitgebers, ein von der gesetzlichen Vorgabe abweichendes Angebot unterbreiten zu wollen, eindeutig und unmissverständlich aus dem Kündigungsschreiben ergeben. In dem Kündigungsschreiben hat die Beklagte jedoch lediglich auf § 1a KSchG als Anspruchsgrundlage verwiesen und als Voraussetzung für die Abfindung den Verzicht auf eine Kündigungsschutzklage genannt. Ein Verweis auf die Abfindung aus der Betriebsvereinbarung fehlt ebenso wie der Hinweis auf eine mögliche Anrechnung. Der Kläger durfte es daher zumindest für möglich halten, dass die Beklagte für die durch das Verstreichenlassen der Klagefrist erlangte Rechtssicherheit einen weiteren Abfindungsbetrag gewähren wollte.
Durch die Zahlung der 86.000,00 € aus dem „Interessenausgleich“ wurde der Anspruch des Klägers nach § 1a KSchG aus dem Kündigungsschreiben nicht erfüllt, da beide Anspruchsgrundlagen unterschiedlichen Leistungszwecken dienen. Bei dem normativ geltenden Abfindungsanspruch aus der Betriebsvereinbarung handelt es sich um eine Leistung, die ausschließlich dem Ausgleich der mit dem Verlust des Arbeitsplatzes verbundenen wirtschaftlichen Nachteile dient. Demgegenüber wollte der Gesetzgeber mit der Regelung in § 1a KSchG eine einfach zu handhabende, moderne und unbürokratische Alternative zum Kündigungsschutzprozess schaffen. Die formalisierten Voraussetzungen für den Abfindungsanspruch und die gesetzlich festgelegte Höhe der Abfindung sollen es den Arbeitsvertragsparteien erleichtern, die Beendigung des Arbeitsverhältnisses nach einer betriebsbedingten Kündigung außergerichtlich kostengünstig zu klären. Der Kläger hatte daher Anspruch auf weitere 86.000,00 €.
Hinweis:
Die Beklagte hätte mit einer sorgfältigen Abfassung des Kündigungsschreibens den Umfang ihrer beabsichtigten Leistungsgewährung ohne weiteres klarstellen und sich damit die zweite Zahlung ersparen können. Der Fall zeigt deutlich, wie wichtig präzise Formulierungen im Einzelfall sein können.
Die Beklagte zahlte daraufhin eine Abfindung in Höhe von rund 86.000,00 € an den Kläger. Dieser begehrt mit seiner Klage denselben Betrag ein zweites Mal. Die erste Summe habe nach seiner Auffassung lediglich der Erfüllung des Anspruchs aus der Betriebsvereinbarung gedient. Ihm stehe aber aus der Zusage im Kündigungsschreiben ein zweiter Anspruch in identischer Höhe zu. Die Beklagte war dagegen der Auffassung, dass der Hinweis im Kündigungsschreiben lediglich als Berechnungsgrundlage für die nach dem „Interessenausgleich“ zu zahlende Abfindung zu verstehen sei.
Sowohl Arbeitsgericht als auch Landesarbeitsgericht gaben der Klage statt. Die Revision der Beklagten blieb ohne Erfolg.
Nach § 1a KSchG hat ein Arbeitnehmer Anspruch auf eine Abfindung, wenn der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis betriebsbedingt kündigt und der Arbeitnehmer bis zum Ablauf der 3-wöchigen Klagfrist keine Kündigungsschutzklage erhebt. Der Anspruch setzt einen entsprechenden Hinweis des Arbeitgebers im Kündigungsschreiben voraus. Die Abfindung beträgt dann ein halbes Monatsgehalt für jedes Jahr des Bestehens des Arbeitsverhältnisses.
Dieser Abfindungsanspruch ist nach Auffassung des BAG vorliegend durch den Hinweis der Beklagten im Kündigungsschreiben entstanden.
Der Hinweis kann nicht als rein deklaratorische Bezugnahme auf die Betriebsvereinbarung verstanden werden. Vielmehr müsste sich der Wille des Arbeitgebers, ein von der gesetzlichen Vorgabe abweichendes Angebot unterbreiten zu wollen, eindeutig und unmissverständlich aus dem Kündigungsschreiben ergeben. In dem Kündigungsschreiben hat die Beklagte jedoch lediglich auf § 1a KSchG als Anspruchsgrundlage verwiesen und als Voraussetzung für die Abfindung den Verzicht auf eine Kündigungsschutzklage genannt. Ein Verweis auf die Abfindung aus der Betriebsvereinbarung fehlt ebenso wie der Hinweis auf eine mögliche Anrechnung. Der Kläger durfte es daher zumindest für möglich halten, dass die Beklagte für die durch das Verstreichenlassen der Klagefrist erlangte Rechtssicherheit einen weiteren Abfindungsbetrag gewähren wollte.
Durch die Zahlung der 86.000,00 € aus dem „Interessenausgleich“ wurde der Anspruch des Klägers nach § 1a KSchG aus dem Kündigungsschreiben nicht erfüllt, da beide Anspruchsgrundlagen unterschiedlichen Leistungszwecken dienen. Bei dem normativ geltenden Abfindungsanspruch aus der Betriebsvereinbarung handelt es sich um eine Leistung, die ausschließlich dem Ausgleich der mit dem Verlust des Arbeitsplatzes verbundenen wirtschaftlichen Nachteile dient. Demgegenüber wollte der Gesetzgeber mit der Regelung in § 1a KSchG eine einfach zu handhabende, moderne und unbürokratische Alternative zum Kündigungsschutzprozess schaffen. Die formalisierten Voraussetzungen für den Abfindungsanspruch und die gesetzlich festgelegte Höhe der Abfindung sollen es den Arbeitsvertragsparteien erleichtern, die Beendigung des Arbeitsverhältnisses nach einer betriebsbedingten Kündigung außergerichtlich kostengünstig zu klären. Der Kläger hatte daher Anspruch auf weitere 86.000,00 €.
Hinweis:
Die Beklagte hätte mit einer sorgfältigen Abfassung des Kündigungsschreibens den Umfang ihrer beabsichtigten Leistungsgewährung ohne weiteres klarstellen und sich damit die zweite Zahlung ersparen können. Der Fall zeigt deutlich, wie wichtig präzise Formulierungen im Einzelfall sein können.