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01.04.2016

Umfang der Darlegungslast des Arbeitnehmers bei der Geltendmachung eines Arbeitszeitguthabens im Rahmen von Vertrauensarbeitszeit

Der Führung eines Arbeitszeitkontos und der Geltendmachung des Zeitguthabens aus Mehrarbeit steht die Vereinbarung von Vertrauensarbeitszeit nicht entgegen. Soweit der Arbeitgeber in einem Arbeitszeitkonto ein Guthaben vorbehaltlos ausweist, stellt er das Guthaben

Der Führung eines Arbeitszeitkontos und der Geltendmachung des Zeitguthabens aus Mehrarbeit steht die Vereinbarung von Vertrauensarbeitszeit nicht entgegen. Soweit der Arbeitgeber in einem Arbeitszeitkonto ein Guthaben vorbehaltlos ausweist, stellt er das Guthaben streitlos. Will der Arbeitgeber den vorbehaltlos ausgewiesenen Saldo bestreiten, so trifft ihn die Darlegungs- und Beweislast. Beruft sich der Arbeitnehmer hingegen zur Begründung seines Anspruchs auf selbst gefertigte Arbeitszeitaufstellungen, so muss er die erbrachten Überstunden sowie deren arbeitgeberseitige Veranlassung und Zurechnung darlegen.

BAG, Urteil v. 23.09.2015 – 5 AZR 767/13


Im vorliegenden Fall stritten die Parteien über die Auszahlung eines Arbeitszeitguthabens. Die Klägerin war bis zum 31.03.2012 bei der Beklagten als Bürofachkraft beschäftigt. Nach § 7 des Arbeitsvertrages wurde vereinbart, dass Mehr- und Minderstunden über ein Zeitkonto abgerechnet und bei Austritt aus dem Unternehmen der Saldo mit dem durchschnittlichen Stundenlohn verrechnet werden kann. Für den Zeitraum vom 01.06.2007 bis zum 25.11.2008 händigte die Beklagte der Klägerin eine Arbeitszeitaufstellung aus, die ein Zeitguthaben von 414 Stunden aufwies. Danach erfasste die Beklagte die Arbeitszeit nicht mehr. Die Klägerin führte in der Folgezeit eine eigenständige Arbeitszeitaufstellung, ohne diese der Beklagten vorzulegen. Diese wies ein weiteres Guthaben von 643 Stunden auf. Mit Schreiben vom 24.02.2012 forderte die Klägerin die Beklage auf, ihr eine Abrechnung des Arbeitszeitkontos zu übersenden. Die Beklagte lehnte dies am 28.02.2012 mit der Begründung ab, das Arbeitszeitkonto stehe auf null.

Die Klage, mit der die Klägerin die Abgeltung ihres Arbeitszeitguthabens für den gesamten Zeitraum ihrer Beschäftigung in Höhe von Euro 18.357,28 geltend macht, wurde in I. Instanz abgewiesen. Das LAG gab der Berufung in II. Instanz statt. Die Revision der Beklagten hatte teilweise Erfolg. Das BAG verurteilte die Beklagte zur Zahlung von Euro 7.181,76 brutto nebst Verzugszinsen für die 414 Stunden Mehrarbeit im Zeitraum vom 01.06.2007 bis zum 25.11.2008, welche die Beklagte streitlos gestellt hatte. Im Übrigen wies das BAG die Klage als unbegründet ab.

Die Klägerin sei in Bezug auf die 414 Stunden Guthaben ihrer Darlegungslast nachgekommen, indem sie die Vereinbarung zur Führung eines Arbeitszeitkontos und zur Abgeltung eines gegebenenfalls bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses bestehenden Guthabens mit den einschlägigen Regelungen des Arbeitsvertrages schlüssig vorgetragen hat. Die Beklagte habe mit der Arbeitszeitaufstellung vom 25.11.2008 das Guthaben von 414 Stunden streitlos gestellt.

Nach Auffassung des BAG müsste der Arbeitgeber konkret darlegen, aufgrund welcher Umstände der ausgewiesene Saldo unzutreffend sei. Erst dann habe der Arbeitnehmer vorzutragen, wann er die Arbeit verrichtet hat oder einer der Tatbestände vorliegt, der eine Vergütungspflicht ohne Arbeit regelt. Da es hier am substantiierten Vortrag der Beklagten fehlte, galt der im Arbeitszeitkonto vorbehaltlos ausgewiesene Saldo als zugestanden.

Dem Abgeltungsanspruch steht nach Auffassung des BAG auch nicht die Vereinbarung von Vertrauensarbeitszeit entgegen. Entgegen der Ansicht der Beklagten sei aus der vereinbarten Vertrauensarbeitszeit keine Vereinbarung getroffen worden, wonach die Abgeltung von Arbeitszeitguthaben ausgeschlossen wird. Die Vereinbarung von Vertrauensarbeitszeit steht weder der Führung eines Arbeitszeitkontos entgegen, noch schließt sie die Abgeltung eines aus Mehrarbeit des Arbeitnehmers resultierenden Zeitguthabens aus.

Soweit die Klägerin eine auf ihre eigene Zeiterfassung gestützte Abgeltung ihres Arbeitszeitguthabens begehrte, war die Klage unbegründet. Um einen solchen Anspruch schlüssig darzulegen, muss der Arbeitnehmer nach Auffassung des BAG die Tatschen, die das Arbeitszeitguthaben begründen, im Einzelnen darlegen. Der Arbeitnehmer darf sich dabei nicht nur auf die Darlegung der Überstundenleistung beschränken, sondern hat als weitere Voraussetzung für eine Gutschrift die arbeitgeberseitige Veranlassung und Zurechnung der behaupteten Überstunden darzulegen. Allein durch den Vortrag, von wann bis wann Arbeit geleistet wurde, genügt der Darlegungslast nicht. Der Arbeitgeber muss die Überstunden angeordnet, gebilligt oder geduldet haben oder diese müssen jedenfalls zur Erledigung der geschuldeten Leistung notwendig gewesen sein. Diesen Anforderungen genügte der Vortrag der Klägerin nicht.

Praxistipp: Mit diesem Urteil führt das BAG grundsätzlich seine bisherige Rechtsprechung zu Klagen auf Auszahlung eines Guthabens aus einem vom Arbeitgeber geführten Arbeitszeitkonto fort. Das BAG differenziert in seiner Entscheidung jedoch im Hinblick auf vom Arbeitnehmer selbst geführte Arbeitszeitaufstellungen. Hier trifft den Arbeitnehmer die Darlegungs- und Beweislast. Anderenfalls wäre der Arbeitnehmer im Stande, durch selbst gefertigte Arbeitszeitaufstellungen seine Leistung und damit auch seine Vergütung dem Arbeitgeber zu diktieren. Dies bestätigt abermals die Schwierigkeit für Arbeitnehmer, eigene Aufzeichnungen zur Begründung von Mehrarbeitsvergütung heranzuziehen.

Authors

Bernd Joch

Dr. Bernd Joch

Partner

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