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04.01.2016

Keine Drei-Wochen-Frist für die Anrufung des Schlichtungsausschusses für Berufsausbildungsverhältnisse

Die Klägerin wurde von der Beklagten zur zahnmedizinischen Fachangestellten ausgebildet. Das Ausbildungsverhältnis sollte am 30.06.2013 enden. Die Beklagte kündigte das Ausbildungsverhältnis am 18.04.2013 fristlos, ohne einen Kündigungsgrund anzugeben.

Ist ein Ausschuss nach § 111 Abs. 2 ArbGG gebildet, sind auf seine Anrufung die Vorschriften des Kündigungsschutzgesetzes über die fristgebundene Klageerhebung nicht analog anzuwenden. Der Klageerhebung kann allein der Einwand der Prozessverwirkung entgegengehalten werden.

BAG, Urteil v. 23.07.2015 – 6 AZR 490/14

Die Klägerin wurde von der Beklagten zur zahnmedizinischen Fachangestellten ausgebildet. Das Ausbildungsverhältnis sollte am 30.06.2013 enden. Die Beklagte kündigte das Ausbildungsverhältnis am 18.04.2013 fristlos, ohne einen Kündigungsgrund anzugeben. Mit Schreiben vom 08. Mai 2013 wandte sich die Klägerin an den bei der Zahnärztekammer gebildeten Güteausschuss. Dieser riet der Beklagten, die Kündigung zurückzunehmen, was diese ablehnte. Am 07.06.2013 bestand die Klägerin die Abschlussprüfung. Der Ausschuss erklärte sich daraufhin für unzuständig, weil das Ausbildungsverhältnis nunmehr beendet sei. Mit ihrer am 19.06.2013 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage begehrte die Klägerin u.a. die Zahlung der Ausbildungsvergütung bis zum 07.06.2013.

In den Vorinstanzen wurde der Klage stattgegeben. Die Revision blieb insoweit erfolglos.

Nach Auffassung des BAG steht der Klägerin Annahmeverzugslohn bis zum 07.06.2013 zu. Das Berufsausbildungsverhältnis sei nicht durch die Kündigung beendet worden. Diese sei wegen des Verstoßes gegen das Begründungserfordernis nach § 22 Abs. 3 BBiG nichtig.

Die Wirksamkeit der Kündigung werde auch nicht gemäß §§ 4, 13, 7 KSchG analog fingiert, obwohl die Drei-Wochen-Frist versäumt wurde. Auf die Anrufung des Schlichtungsausschusses finden diese Regelungen keine Anwendung. Für eine analoge Anwendung fehle es an einer planwidrigen Regelungslücke. Eine Frist sei nur für das Scheitern der mit § 111 Abs. 2 ArbGG angestrebten, vorrangigen außergerichtlichen Einigung für die Anrufung des Arbeitsgerichtes vorgesehen worden. Daraus folge im Umkehrschluss, dass die Anrufung des Ausschusses ohne Frist möglich sein soll. Das BAG setzt sich insbesondere mit der im Schrifttum geäußerte Befürchtung auseinander, der Gesetzgeber habe mit der Möglichkeit, den Ausschuss ohne Wahrung einer gesetzlich geregelten Frist anzurufen, es dem Auszubildenden in die Hand gegeben, mit der Anrufung des Schlichtungsausschusses monatelang zuzuwarten und das Verfahren zu verzögern, was im Widerspruch zum Beschleunigungsgrundsatz stünde. Zu Recht weist es darauf hin, dass der Ausschuss auch vom Ausbildenden angerufen werden könne. Der Ausbildende könne somit selbst für schnelle Klarheit über die Wirksamkeit einer von ihm erklärten Kündigung sorgen.

Auch der Gleichheitsgrundsatz sei nicht verletzt, wenn eine fristgebundene Klageerhebung verlangt wird, sofern kein Ausschuss nach § 111 Abs. 2 ArbGG gebildet sei. Die vom Gesetzgeber angestrebte schelle Klärung des Fortbestandes des Ausbildungsverhältnisses werde auch bei der differenzierenden Lösung noch erreicht. Art. 19 Abs. 4 GG sei ebenfalls nicht verletzt. Es handele sich weder um eine unzumutbare Erschwerung des Zugangs zu Gericht noch um einen ungleichen Zugang zu Gericht. Zwar könne es im Einzelfall schwierig sein, festzustellen, ob ein Ausschuss besteht oder nicht. Dem könne aber durch eine großzügige Handhabung des § 5 KSchG Rechnung getragen werden.

Praxistipp:

Will ein Ausbildender schnell wissen, ob die von ihm erklärte Kündigung hält und besteht ein Schlichtungsausschuss, kann er diesen selbst anrufen. Wenig Aussicht auf Erfolg besteht jedoch, wenn in der fristlosen Kündigung keine Kündigungsgründe angegeben sind. Dies wird in der Praxis häufig übersehen.