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22.01.2020

Schutz geografischer Angaben per Kollektivmarke im Streit

Ein Streit, der derzeit vor dem Bundesgerichtshof anhängig ist, wird Schicksal und Schlagkraft einiger Tausend Kollektivmarken bestimmen, die im Kern aus einer geografischen Angabe bestehen.1

Rechtlich ist es kompliziert. Geografische Angaben können auf verschiedene Weise geschützt sein, einerseits durch Spezialvorschriften, andererseits durch das Markenrecht. Früher schützte vor allem der deutsche Gesetzgeber mit Spezialvorschriften geografische Angaben gegen Irreführung über Herkunft und Qualität. Inzwischen sind die Bereiche der Agrarerzeugnisse, Lebensmittel und Spirituosen durch spezielle EU-Verordnungen abschließend geregelt, was auch der Europäische Gerichtshof bestätigt hat. Was durch EU-Recht nicht geschützt ist, genießt auch keinen Schutz.

Was passiert jedoch, wenn solche Kollektivmarken den europäischen Verordnungen in die Quere kommen?

Diese Frage wird der Bundesgerichtshof in einem Verfahren der Bäuerlichen Erzeugergemeinschaft Schwäbisch Hall klären müssen. Die Erzeugergemeinschaft ist Inhaberin derartiger Kollektivmarken mit geografischem Inhalt: „Hohenloher Landschwein“ und „Hohenloher Weiderind“. Die Satzung der Marken stellt für die Nutzung dieser Marken strenge Vorgaben im Hinblick auf Herkunft, Futter und artgerechte Haltung auf. Eine in Hohenlohe ansässige Metzgerei wollte diese Vorgaben nicht einhalten und verkaufte Fleisch aus Massentierhaltung als „Hohenloher Landschwein“ und „Hohenloher Weiderind“. Ob das Fleisch aus der Region Hohenlohe stammte, blieb strittig. Die Erzeugergemeinschaft forderte von der Metzgerei – gestützt auf ihre Kollektivmarken – Unterlassung und Schadensersatz. Die erste Instanz urteilte gegen die Erzeugergemeinschaft. Der Schutz geografischer Angaben durch die EU-Verordnungen sei im Agrarbereich abschließend. Aber durch eine solche Verordnung ist Hohenlohe bislang nicht geschützt. Qualitätsvorgaben könnten also nicht per Kollektivmarke eingeführt und durchgesetzt werden. Lediglich eine plumpe Irreführung über die Herkunft der Produkte sei angreifbar, im konkreten Fall aber nicht nachgewiesen.

Das Oberlandesgericht Stuttgart2 als zweite Instanz sah die Sache zunächst genauso und wollte einen abschließenden Charakter der EU-Verordnungen bejahen. Lediglich die Frage der Beweislast für die geografische Herkunft wollte das Gericht der Metzgerei auferlegen und insoweit verurteilen. Überraschend ließ sich das Gericht jedoch in den Wochen nach der mündlichen Verhandlung von der Erzeugergemeinschaft umstimmen und ging nun von einem Nebeneinander des Schutzes von geografischer Bezeichnung und Kollektivmarke aus. Die mündliche Verhandlung wurde – was in der Praxis so gut wie nie vorkommt – wiedereröffnet und schließlich die Metzgerei voll verurteilt. Die Revision ließ das OLG nicht zu. Es wurde dagegen aber erfolgreich Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundesgerichtshof eingelegt. Die Grundsatzfrage, über die Karlsruhe nun entscheiden wird, hat Bedeutung für Tausende von Kollektivmarken.

Der Artikel ist erstmals erschienen in der LZ-Ausgabe 38 vom 20. September 2019, Seite 26. Herr Prof. Dr. Ulrich Hildebrandt war im Verfahren als Parteigutachter tätig.

Veröffentlicht im Newsletter Süßwarenindustrie Spezial - Ausgabe 2020. 

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1 BGH, Beschl. v. 05.10.2017 – I ZR 163/19.

2 OLG Stuttgart, Urt. v. 25.07.2019, 2 U 73/18 – Hohenloher Landschwein/Hohenloher Weiderind II.