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24.07.2016

Lkw-Hersteller-Kartell: Käufer und -Leasingnehmer können Schadensersatzersatzansprüche geltend machen

Die Europäische Kommission (KOM) hat am 19. Juli 2016 wegen Kartellverstößen gegen die Lkw-Hersteller MAN, Volvo/Reno, Daimler, Iveco und DAF ein Bußgeld in Höhe von insgesamt knapp EUR 2,93 Mrd. verhängt.

1. Das Lkw-Hersteller-Kartell

Die Europäische Kommission (KOM) hat am 19. Juli 2016 wegen Kartellverstößen gegen die Lkw-Hersteller MAN, Volvo/Reno, Daimler, Iveco und DAF ein Bußgeld in Höhe von insgesamt knapp EUR 2,93 Mrd. verhängt. Nach den Feststellungen der Kommission haben die betreffenden Unternehmen von 1997 bis 2011 u.a. Listenpreise für mittlere (Gewicht 6 bis 16 t) und schwere (über 16 t) LKW abgesprochen. Die Listenpreise, die Ausgangspunkt für die Bestimmung der jeweiligen Kaufpreise in der Branche sind, sollen nach noch unbestätigten Berichten bis zu 20% über dem tatsächlichen Marktpreis gelegen haben.

2. Hohe Schäden für die Kunden der Hersteller

Infolge der Kartellabsprachen haben die Kunden der betroffenen Hersteller über Jahre überhöhte, dem Markt und Wettbewerb nicht entsprechende Preise für den Kauf oder das Leasing von mittleren und schweren Lkw gezahlt. Die Differenz zwischen dem gezahlten – auf den überhöhten Listenpreisen basierenden – Kaufpreis und dem tatsächlichen Marktpreis können die geschädigten Abnehmer für alle zwischen 1999 und 2011 gekauften oder geleasten Lkw als Schadensersatz gegen die Hersteller geltend machen. Käufe und Leasinggeschäfte aus den Jahren 1997 bis 1999 dürften – vorbehaltlich besonderer Umstände im Einzelfall – verjährt sein.

3. Erleichterte Durchsetzung von Schadensersatzforderungen

Die durch das Kartell geschädigten Unternehmen haben Anspruch auf Schadenersatz völlig unabhängig von den gegen die Hersteller verhängten. Das heißt im konkreten Fall: Auch von MAN kann daher Schadensersatz gefordert werden, obwohl MAN als sogenannter Kronzeuge das Bußgeld erlassen wurde.

Die Rechtsprechung vermutet, dass den Abnehmern eines von den Behörden festgestellten Preiskartells immer ein finanzieller Schaden entsteht. Ein geschädigtes Unternehmen kann die Kartellanten dann gemeinsam oder auch einzeln für seinen Schaden in Anspruch nehmen – unabhängig davon, bei welchem Hersteller es die Fahrzeuge gekauft hat.

Allerdings muss jeder Geschädigte die exakte Höhe seines Schadens konkret nachweisen. Sofern nicht zweifelsfrei belegt werden kann, wie hoch der tatsächliche Kartellaufschlag auf den Marktpreis gewesen ist, steht es dem Gericht frei, den entstandenen Schaden zu schätzen.

Eine Besonderheit des Lkw-Kartells ist, dass sich die Hersteller nicht darauf berufen werden können, der durch das Kartell entstanden Schaden sei von den Geschädigten an eigene Abnehmer weitergegeben worden. Denn die gekauften und geleasten Lkw sind im Regelfall nicht weiterveräußert, sondern von den Käufern/Leasingnehmern selbst genutzt worden. Dies erleichtert die Geltendmachung von Schadensersatzforderungen für die Geschädigten beträchtlich.

4. Zügiges Handeln und Vorbereitung eines Prozesses

Für Kunden, die Schadensersatz von den Herstellern verlangen möchten, ist für die Käufe und/oder Leasinggeschäfte aus den Jahren 1999 bis 2002 eine gewisse Eile geboten, weil je nach den Umständen die Verjährung ab 19. Januar 2017 droht.

Da für kartellrechtliche Schadensersatzprozesse der Sachverhalt sorgfältig aufgearbeitet werden muss, sollten Geschädigte so früh wie möglich mit der Zusammenstellung der nötigen Unterlagen beginnen. Dabei empfiehlt es sich, die einzelnen Kauf- oder Leasingverträge, die in den Jahren 1997 bis 2011 mit den Herstellern getätigt worden sind, mit den jeweiligen Daten über Fahrgestell-Nr., Hersteller, Marke, Fahrzeugmodell, gezahlten Preis, Rabatte und damaligen Listenpreis beispielsweise in eine Excel-Tabelle einzutragen. Gleichzeitig sollte ein Antrag auf Einsicht in bestimmte Unterlagen der EU-Kommission gestellt werden.

5. Kosten- und risikominierendes Vorgehen prüfen

Es kann durchaus sinnvoll sein, gemeinsam mit anderen Geschädigten gegen die Kartellanten vorzugehen. Hierdurch können die Kosten für den Einzelnen gesenkt und die Schlagkraft, z.B. durch Beauftragung eines Sachverständigengutachtens zu den ohne Kartellabsprache zu erwartenden Marktpreisen, erhöht werden. Wem das Kostenrisiko zu hoch ist, der kann zudem einen Prozessfinanzierer einschalten, der gegen einen prozentualen Anteil am gerichtlich zugesprochenen Geldbetrag die Anwalts- und Gerichtskosten übernimmt.

Die Erfolgsaussichten für die Durchsetzung von Schadenersatzansprüchen gegen die am Lkw-Kartell beteiligten Hersteller sind grundsätzlich gut. Den Kartellanten wird es im vorliegenden Fall verwehrt sein, sich auf eine Weitergabe des Schadens zu berufen, was die Chancen auf Schadensersatz für die Geschädigten nochmals erhöht. Die Höhe des Schadenersatzes muss für jedes geschädigte Unternehmen einzelnen ermittelt und notfalls durch das Gericht geschätzt werden.