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09.08.2010

Das endgültige Aus für Leitfabrikate? Abweichen von der gesetzlichen Vorgabe der produktneutralen Ausschreibung ist kaum möglich

OLG Düsseldorf, Beschluss vom 23.03.2010 (Verg 61/09)

Der Fall
Bei einer Bau-Ausschreibung hatte der öffentliche Auftraggeber in einer Liste bestimmte “Planungsfabrikate” aufgeführt. Gleichzeitig hatte er “gleichwertige” Artikel zugelassen. Eine Begründung für diese Entscheidung gab es im Vergabevermerk nicht.

Ein Bieter wollte vom Leitfabrikat abweichen und hatte in mehreren unterschiedlichen Angeboten abweichende Fabrikate eingetragen. Die “Gleichwertigkeit” hatte er nicht nachgewiesen. Sein Angebot wurde ausgeschlossen.

Die Entscheidung
Das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf hat der Beschwerde des ausgeschlossenen Bieters stattgegeben.

Die VOB/A schreibt sowohl in der Fassung von 2006 als auch in der neuen Fassung von 2009 (die ab 11.06.2010 im oberschwelligen Bereich anzuwenden ist) u.a. vor, dass in technischen Spezifikationen nicht auf Marken/Typen “eines bestimmten Ursprungs oder einer bestimmten Produktion” verwiesen werden darf. Damit soll die Bevorzugung von bestimmten Herstellerfabrikaten vermieden werden (Stichwort: “Produktneutrale Ausschreibung”).

Ausnahmen davon sind nur dann erlaubt, wenn der Auftragsgegenstand “nicht hinreichend genau und allgemein verständlich beschrieben werden kann”. In diesem Fall darf ausnahmsweise die Produktmarke genannt werden, jedoch nur mit dem Zusatz “und gleichwertig”.

Öffentliche Auftraggeber neigen bisweilen dazu, von einer produktneutralen Ausschreibung abzuweichen. Aufgrund des Aufwandes der Beschreibung mag dies nachvollziehbar sein; zulässig ist es in den meisten Fällen nicht.

Im entschiedenen Fall gab es keine Begründung dafür, dass nicht produktneutral beschrieben worden war. Gleichzeitig mussten die Bieter bei Angebotsabgabe nachweisen, dass ihr abweichendes Produkt “gleichwertig” ist.

Diese Vorgehensweise hat das OLG Düsseldorf missbilligt. Das Vergabeverfahren musste wiederholt werden, weil der Grundsatz produktneutraler Ausschreibung verletzt worden war. Den Bietern durfte nicht der Aufwand auferlegt werden, die Gleichwertigkeit nachzuweisen.

Das OLG konnte sich die Prüfung in diesem Punkt leicht machen: Im Verfahren (also auch im Vergabevermerk) waren keine Gründe für die nicht produktneutrale Ausschreibung vorgetragen worden.

Fazit
Öffentliche Auftraggeber sollten folgendes bedenken:

  • Die Nennung von “Leitfabrikaten” ist in der Regel nicht möglich.
  • Falls dennoch Leitfabrikate genannt werden sollen, ist die vergaberechtliche Zulässigkeit genau zu prüfen.
  • Die Gründe für ein Abweichen von der Vorgabe der VOB/A sind genau und für einen Dritten (z.B. die Vergabekammer) nachvollziehbar im Vergabevermerk zu dokumentieren.

Autor/innen

René M. Kieselmann

René M. Kieselmann

Partner

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