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05.05.2020

Auskünfte nach § 11 EntgTranspG kein Indiz für eine Diskriminierung

Nach dem Willen des Gesetzgebers soll das Entgelttransparenzgesetz (EntgTranspG) insbesondere Frauen dabei unterstützen, ihren Anspruch auf gleiches Entgelt bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit künftig besser durchsetzen zu können. Dass dieser Zweck wohlmöglich verfehlt wurde, zeigt eine aktuelle Entscheidung des LAG Niedersachen.

LAG Niedersachsen, Urteil vom 01.08.2019, Az. 5 Sa 196/19

Die Klägerin ist bei der Beklagten, einer kommunalen Arbeitgeberin, seit dem 15.03.1998 als Arbeitnehmerin beschäftigt und nimmt dort seit dem 01.12.2017 – nach zwischenzeitlichem Wechsel zu einer anderen kommunalen Einrichtung und anschließender Rückkehr – die Aufgabe einer Abteilungsleiterin im Bereich „Schaden“ wahr. Bis zum 01.04.2013 richtete sich ihre Vergütung nach dem Gehaltstarifvertrag für das private Versicherungsgewerbe, welcher eine Differenzierung zur Gehaltshöhe nach Berufsjahren vornahm. Seit dem 01.04.2013 wird die Klägerin außertariflich vergütet. Neben den Tariflohnerhöhungen erhielt die Klägerin zum 01.04.2013 sowie zum 01.04.2015 eine Gehaltserhöhung. Eine geplante Erhöhung zum 01.04.2017 fand nicht statt. Hintergrund hierfür waren nach der Auffassung der Beklagten Mängel im Führungsverhalten der Klägerin, welche letztlich auch ursächlich für den Wechsel wieder zurück zur Beklagten in die Regionaldirektion waren. Bis zum 31.01.2019 erhielt die Klägerin eine Vergütung in Höhe von 5.385,40 € brutto zuzüglich einer übertariflichen Zulage in Höhe von 500,00 € brutto. Ab dem 01.02.2019 erhöhte die Beklagte die Vergütung der Klägerin um 303,50 € brutto und die Zulage auf 550,00 €.

Mit Schreiben vom 02.07.2018 beantragte die Klägerin von der Beklagten die Erteilung einer Auskunft nach § 11 EntgTranspG. Unter dem 24.07.2018 teilte die Beklagte zunächst mit, welches Grundentgelt und welche übertarifliche Zulage die Klägerin erhalte, und informierte sie über den Median derjenigen männlichen Abteilungsleiter, die wie die Klägerin seit 2012 eine Führungsaufgabe übertragen erhielten: Grundentgelt 5.595,00 € brutto und übertarifliche Zulage 550,00 € brutto monatlich. Damit war die Klägerin nicht einverstanden. Die Beklagte erteilte daraufhin am 22.08.2018 eine weitere Auskunft, wonach der Median aller männlichen Abteilungsleiter 6.292,00 € brutto bzgl. des Grundgehalts betrage, wobei der durchschnittliche Abteilungsleiter die Führungstätigkeit seit 1999 wahrnehme. Der Median der übertariflichen Zulage bei männlichen Beschäftigten der Vergleichsgruppe betrage 600,00 € brutto monatlich. Das Durchschnittsgehalt der vergleichbar beschäftigten männlichen Abteilungsleiter liege zudem um 8 % höher als das der beschäftigten weiblichen Abteilungsleiter.

Mit ihrer am 19.10.2018 eingegangenen Klage hat die Klägerin zuletzt nur noch Vergütungsdifferenzen zwischen ihrer Vergütung und dem Vergleichsentgelt der männlichen Abteilungsleiter für den Zeitraum ab August 2018 geltend gemacht. Sie hat die Auffassung vertreten, durch die Auskunft der Beklagten sei eine erhebliche Gehaltsungleichheit zwischen den weiblichen und männlichen Abteilungsleitern belegt. Sie beantragte, die Beklagte zu verurteilen, an sie 6.039,60 EUR brutto als Vergütungsdifferenz für den Zeitraum August 2018 bis Januar 2019 zu zahlen sowie festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihr ab Februar 2019 ein monatliches Bruttoentgelt in Höhe von 6.292,00 EUR zuzüglich einer monatlichen Zulage in Höhe von 600,00 EUR zu zahlen. Die Beklagte beantragte, die Klage abzuweisen. Nach ihrer Ansicht richte sich die Vergütung von außertariflich beschäftigten Abteilungsleiterinnen und Abteilungsleitern ausschließlich nach geschlechtsneutralen Kriterien. Mit Urteil vom 29.01.2019 hat das Arbeitsgericht Göttingen den Feststellungsantrag als unzulässig abgewiesen und im Übrigen der Klage stattgegeben. Die hiergegen beiderseits eingelegte Berufung hatte für die Klägerin keinen Erfolg.

Das LAG Niedersachsen hat die Klage abgewiesen. Denn der Klägerin sei es nicht gelungen, entsprechend dem erforderlichen Maßstab des § 22 AGG das Gericht zu überzeugen, dass die Gehaltsdifferenzierung aufgrund des Geschlechts erfolge. § 22 AGG sieht für den Rechtsschutz gegen Diskriminierungen im Hinblick auf den Kausalzusammenhang eine Erleichterung der Darlegungslast, eine Absenkung des Beweismaßes und eine Umkehr der Beweislast vor. Wenn im Streitfall die eine Partei Indizien darlegt und ggf. beweist, die eine Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes vermuten lassen, dann trägt die andere Partei die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass tatsächlich kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligung vorgelegen hat. Danach genügt eine Person, die sich durch eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes für beschwert hält, ihrer Darlegungslast bereits dann, wenn sie Indizien vorträgt, die mit überwiegender Wahrscheinlichkeit darauf schließen lassen, dass eine Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes erfolgt ist. Dies sei hingegen vorliegend nicht der Fall. Die bloße Auskunft nach § 11 EntgTranspG, der zufolge das Gehalt der klagenden Mitarbeiterin unter dem Median der Vergleichsgruppe liege, sei für sich genommen noch nicht ausreichend, um diese Beweiserleichterung auszulösen. Denn diese Auskunft enthalte keine Information über die Durchschnittswerte des eigenen Geschlechts. Das LAG verneinte ausdrücklich eine Beweiserleichterung durch die Auskunft auch dann, wenn die Vergütungsdifferenz sogar einen erheblichen Umfang habe. Demzufolge verbleibe nach Auffassung des LAG als einziges Indiz für eine Entgeltdiskriminierung wegen des Geschlechtes der Umstand der durchschnittlich erhöhten Vergütung der männlichen Abteilungsleiter gegenüber ihren weiblichen Kollegen in einer Größenordnung von 8 %. Dies sei für sich genommen aber kein ausreichendes Indiz, da die Beklagte die Unterschiede nachvollziehbar damit begründet habe, dass die männlichen Kollegen die Funktion des Abteilungsleiters wesentlich bereits länger ausübten.

Die Entscheidung zeigt, dass der ursprüngliche Zweck des EntgTranspG wohl deutlich verfehlt wurde. So heißt es in § 1 EntgTranspG, dass das Ziel des Gesetzes sei, das Gebot des gleichen Entgelts für Frauen und Männer bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit durchzusetzen. Wenn aber wie im vorliegenden Fall „übliche“ Rechtfertigungen wie beispielsweise Dienst- oder Berufsjahre oder sogenannte „Soft Skills“ ausreichen, eine Gehaltsdifferenzierung zu begründen, stellt sich der Auskunftsanspruch nach § 11 EntgTranspG als weitestgehend harmloses Instrument dar. Es bleibt diesbezüglich abzuwarten, ob die hierzu zugelassene Revision weitere Klärungen mit sich bringen wird.